Medizinnobelpreis geht an drei Zellforscher aus den USA und Großbritannien
Den Nobelpreis für Medizin teilen sich in diesem Jahr die US-Zellforscher William Kaelin and Gregg Semenza und ihr britischer Kollege Peter Ratcliffe. Sie erhielten die Auszeichnung für ihre Entdeckungen zu der Frage, wie Zellen unterschiedliche Sauerstoffmengen messen und sich daran anpassen können, teilte das Nobel-Komitee am Montag in Stockholm mit. Die Entdeckungen der Forscher helfen unter anderem im Kampf gegen Krebs.
Seit langem sei bekannt, wie lebenswichtig die Sauerstoffversorgung von Zellen und anderem Gewebe des Körpers ist - doch lange Zeit sei es ein Rätsel gewesen, wie Zellen Veränderungen des Sauerstoffgehalts erkennen und darauf reagieren, erklärte das Komitee. Die drei Forscher hätten mit ihren Arbeiten herausgefunden, wie Zellen unterschiedliche Mengen von Sauerstoff messen können, darauf reagieren und welche "molekularen Mechanismen" dabei eine Rolle spielen.
Diese Mechanismen spielen beispielsweise auch bei Tumoren eine Rolle, deren Wachstum von der Sauerstoffversorgung des Bluts abhängt - insbesondere bei einigen schnell wachsenden Krebsarten wie Leberkrebs, die so viel Energie verbrauchen, dass sie den gesamten um sie herum verfügbaren Sauerstoff verbrennen.
Mit ihrer Forschung machten die drei Wissenschaftler den Weg frei für "vielversprechende neue Strategien zur Bekämpfung von Anämie, Krebs und vielen anderen Krankheiten", erklärte die Nobelpreis-Jury. Universitätslabore und Pharmafirmen arbeiteten nun intensiv an der Entwicklung von Medikamenten, die in verschiedenen Stadien einer Krankheit eingreifen können, indem sie entweder den Mechanismus der Sauerstoffaufnahme aktivieren oder blockieren.
Der 61-jährige Kaelin arbeitet am Howard Hughes Medical Institute in den USA, der 63-jährige Semenza leitet das Gefäßforschungsprogramm am John Hopkins Institute for Cell Engineering Research. Der 65-jährige Ratcliffe ist Direktor für klinische Forschung am Francis Crick Institute in London und am Target Discovery Institute in Oxford.
Semenza untersuchte das Gen EPO, das die Bildung der roten Blutkörperchen fördert. Zudem konnte er die DNA isolieren, die bei der Anpassung an niedrigen Sauerstoffgehalt hilft. Gemeinsam mit Ratcliffe wies er nach, dass dieser Mechanismus zum Erkennen von Sauerstoff in praktisch allem menschlichem Gewebe steckt.
Kaelin gelang es, das Gen VHL zu identifizieren, das bei Patienten mit bestimmten genetischen Störungen zu einem größeren Krebsrisiko führt. Es spielt eine Schlüsselrolle bei der Reaktion von Krebszellen auf ein niedriges Sauerstoffniveau. Die drei Forscher teilen sich das Preisgeld in Höhe von umgerechnet 830.000 Euro. Der Nobelpreis wird ihnen am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel, in Stockholm verliehen.
Im vergangenen Jahr war der Medizin-Nobelpreis an die Krebsforscher James P. Allison aus den USA und Tasuku Honjo aus Japan gegangen. Ihre Arbeiten hatten zu einer neuen Art der Krebstherapie geführt, bei der das eigene Immunsystem zum Kampf gegen die Krebszellen eingesetzt wird.
Mit der Verkündung der Medizin-Preisträger startete am Montag die diesjährige Nobelpreissaison. Am Dienstag wird der Preisträger des Physik-Nobelpreises bekanntgeben, am Mittwoch folgt die Auszeichnung für Chemie und am Donnerstag der Preis für Literatur. In diesem Jahr wird der Literatur-Nobelpreis gzweimal vergeben, weil die Schwedische Akademie im vergangenen Jahr infolge eines Vergewaltigungsskandals nicht beschlussfähig war.
Höhepunkt der Nobelpreiswoche ist die Verkündung des Friedensnobelpreisträgers am Freitag. Am darauffolgenden Montag endet der Reigen mit der Bekanntgabe des Preisträgers für Wirtschaftswissenschaften.
(W.Budayev--DTZ)