Oldenburger Staatsanwaltschaft klagt weitere Ex-Vorgesetzte von Niels Högel an
Wegen der Mordserie des früheren Krankenpflegers Niels Högel hat die Staatsanwaltschaft im niedersächsischen Oldenburg fünf weitere frühere Vorgesetzte angeklagt. Ihnen werde Totschlag durch Unterlassen in jeweils zwischen drei und 63 Fällen vorgeworfen, teilte die Behörde am Donnerstag mit. Darunter sind auch der ehemalige Geschäftsführer, zwei Chefärzte sowie die frühere Pflegedirektorin.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft arbeiten noch zwei der fünf Angeklagten in dem Krankenhaus, an dem Högel in den Jahren 2000 und 2001 Patienten tötete. Ihnen wird vorgeworfen, die von dem mordenden Krankenpfleger ausgehende Gefahr spätestens im Oktober 2001 erkannt zu haben, allerdings aus Sorge um ihren persönlichen Ruf und die Reputation ihrer Klinik nicht tätig geworden zu sein.
Dem früheren Geschäftsführer, der früheren Pflegedirektorin und der Chefarzt der letzten Station von Högel werden dabei jeweils rund 60 Taten zur Last gelegt, weil sie diesem trotz ihrer Erkenntnisse ein sehr gutes Zeugnis ausstellten. Mit diesem fand er 2002 Anstellung im Krankenhaus Delmenhorst, wo er dann bis 2005 weitere Menschen tötete.
Das Landgericht Oldenburg verurteilte Högel im Juni wegen 85 Morden an Intensivpatienten, in zwei vorherigen Prozessen war er bereits für sechs Taten schuldig gesprochen worden. Mehrere ehemalige Vorgesetzte aus dem Klinikum Delmenhorst hatte die Oldenburger Staatsanwaltschaft bereits 2016 wegen des Vorwurfs des Totschlags durch Unterlassen angeklagt. Auch sie sollen nicht gehandelt haben, nachdem sich Hinweise auf die Verbrechen von Högel verdichteten.
Zu Prozessen gegen die Klinikverantwortlichen wird es erst kommen, wenn die jüngste Verurteilung Högels rechtskräftig ist. Dieser gingt vor dem Bundesgerichtshof in revision. Das Landgericht Oldenburg stellte die Fälle zunächst zurück, weil Högel bis zu einer Entscheidung in Karlsruhe ein Auskunftsverweigerungsrecht hat. Er wäre zentraler Zeuge.
Bei den Ermittlungen und Strafprozessen gegen Högel waren Hinweise auf mutmaßliche Vertuschungsversuche aufgetaucht. Eine zentrale Rolle für die Anklage gegen die Mitarbeiter der Oldenburger Klinik spielt laut Staatsanwaltschaft eine interne Liste, auf der notiert wurde, welche Pfleger bei Todesfällen nach Wiederbelebungen anwesend waren. Dies war bei Högel sehr häufig der Fall. Es soll auch Besprechungen gegeben haben, bei denen über die Einschaltung der Behörden beraten wurde. Dies sei dann aber verworfen worden.
Högel hatte während seiner Dienstzeit auf Intensivstationen über Jahre hinweg zahlreiche Patienten mit Medikamenten vergiftet, die er ihnen eigenmächtig verabreichte. Nach Feststellung der Gerichte wollte er dadurch lebensbedrohliche Zustände auslösen, um die Menschen wiederzubeleben. Viele der Patienten starben. Högels genaue Motive sind unklar. Nach Auffassung von Richtern, Staatsanwaltschaft sowie Gutachtern genoss er die dadurch ausgelöste innere Anspannung und wollte sich vor Kollegen und Vorgesetzten als Retter präsentieren.
(W.Budayev--DTZ)