Vatikan: Keine passenden Knochen im Vermisstenfall Orlandi entdeckt
Bei der Analyse von Knochenfunden im Vatikan haben Experten keine Hinweise auf die vor 36 Jahren verschwundene Jugendliche Emanuela Orlandi gefunden. Es seien keine Knochenstrukturen festgestellt worden, "die aus einer Zeit nach dem Ende des 19. Jahrhunderts stammen", teilte der Vatikan am Sonntag mit.
Ein von der Familie Orlandi beauftragter Experte zweifelte die Analyseergebnisse des vom Vatikan bestellten Rechtsmediziners Giovanni Arcudi aber an. Er verlangte weitere Laboruntersuchungen von etwa siebzig Knochen, die Arcudi als deutlich zu alt eingestuft hatte. Die entsprechenden Proben werden nun bis zu einer Gerichtsentscheidung in dem Fall von der Vatikanpolizei aufbewahrt.
Die 15-jährige Emanuela Orlandi war am 22. Juni 1983 nicht vom Musikunterricht heimgekehrt. Der Fall gilt als eines der größten Rätsel in der jüngeren italienischen Kriminalgeschichte.
Die beiden Beinkeller im Vatikan waren vor einer Woche geöffnet worden. Aus den Anlagen unter dem deutschen Priesterkolleg wurden tausende Knochen und Knochenfragmente entnommen. In Beinkellern werden menschliche Knochen aufbewahrt, die etwa aus Platzgründen aus Friedhöfen ausgelagert wurden. Die beiden Anlagen im Vatikan, die durch eine Falltür zugänglich sind, waren erst Mitte Juli entdeckt worden.
Der Fund war nach der Öffnung zweier Prinzessinnengräber auf dem deutschen Pilgerfriedhof neben dem Priesterkolleg gelungen. Die Gräber der Prinzessinnen Sophia von Hohenlohe und Charlotte Friederike von Mecklenburg aus dem 19. Jahrhundert waren auf Bitten von Orlandis Familie geöffnet worden, zu ihrer Überraschung jedoch leer. Experten vermuten, dass sich die Gebeine der beiden Adeligen in den beiden nun untersuchten Beinkellern befinden - sie könnten im Zuge von Umbauarbeiten in den 70er und 80er Jahren dorthin verlegt worden sein.
Um Orlandis Verschwinden rankten sich immer neue Spekulationen und Verschwörungstheorien, in denen teilweise auch der Vatikan eine Rolle spielt. Eine verbreitete Theorie geht davon aus, dass die Tochter eines Vatikan-Mitarbeiters von einer Bande entführt wurde, die den damaligen Chef der Vatikanbank, Paul Marcinkus, erpressen wollte. Unbewiesen ist auch eine andere Theorie, wonach Emanuela entführt wurde, um die Freilassung von Mehmet Ali Agca zu erpressen, der 1981 einen Mordversuch auf Papst Johannes Paul II. verübt hatte.
Vor einem Jahr erhielt die Anwältin der Familie einen mit einem Foto versehenen anonymen Hinweis, wonach die Überreste der Verschwundenen angeblich auf dem deutschen Pilgerfriedhof verscharrt seien. Daraufhin setzte sie eine Öffnung der beiden Prinzessinnengräber durch.
(O.Tatarinov--DTZ)