Umweltschützer und Forstminister warnen vor Zusammenbruch der deutschen Wälder
Die Umweltschutzorganisation BUND hat vor einem "Waldsterben 2.0" gewarnt und energische Maßnahmen gefordert. Hitze und anhaltende Trockenheit durch die Klimaerwärmung verschärften die ohnehin angespannte Situation in Deutschland inzwischen "dramatisch", erklärte BUND-Chef Hubert Weiger am Mittwoch in Berlin. Auch mehrere Landesminister äußerten sich am Mittwoch hochgradig alarmiert über großflächige Waldschäden.
Insbesondere die großen Monokulturwälder aus Fichten und Kiefern würden durch die Stressbelastung regelrecht "zusammenbrechen", teilte Weiger mit. Baden-Württembergs Forstminister Peter Hauk (CDU) erklärte, in seinem Bundesland seien aktuell inzwischen alle weit verbreiteten Baumarten betroffen. "Der Wald droht sich in Teilen aufzulösen", erklärte Hunk in Stuttgart. "Dies hätte dramatische Folgen für den Klimaschutz und die Artenvielfalt."
Nach Angaben des sächsischen Umwelt- und Agrarministers Thomas Schmidt (CDU) zerstörten Stürme, Dürren und Borkenkäferplagen bundesweit bereits 100.000 Hektar. Auch in seinem Bundesland gebe es "Schäden in nie dagewesener Größenordnung", teilte er am Mittwoch in Dresden mit. Er lud alle zuständigen CDU-Minister aus Bund und Ländern für kommenden Donnerstag zu einem Krisengipfel.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) forderte die Freigabe von mehr als 500 Millionen Euro aus dem Energie- und Klimafonds der Bundesregierung. Das Geld solle in die Wiederaufforstung fließen, sagte sie der "Rheinischen Post". Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) solle die Summe freigeben. Es sei nötig, neue standortangepasste Bäume und Mischwälder zu pflanzen und tote Bäume zu entfernen.
BUND-Chef Weiger erklärte, die durch Dürre, Luftverschmutzung sowie Überdüngung geschwächten Bäume fielen Stürmen, Waldbränden und der massenhaften Vermehrung von Borkenkäfern zum Opfer. Es brauche "mutige Entscheidungen" zum Klimaschutz und einen Wechsel hin zu einer ökologischeren Bewirtschaftung, die Wälder stabiler mache. "Es ist ein Wettlauf mit der Zeit." Die Folgen für die Waldbesitzer und die Gesellschaft insgesamt seien "schon enorm".
Nach Angaben Hauks gibt es neuerdings "immense Schäden" etwa bei Tannen, obwohl diese Baumart bisher als möglicher Profiteur des Klimawandels galt. In Baden-Württemberg seien in den vergangenen Wochen zudem "bisher nicht bekannte, drastische Schäden an der Buche aufgetreten". Fichten seien bereits zuvor massiv durch Borkenkäfer geschädigt worden, auch Kiefernbestände litten. Der Minister kündigte einen Notfallplan an und forderte Bundeshilfen.
Die Schäden seien kein örtlich und zeitlich begrenztes Ereignis, sondern eine "nationale Herausforderung", erklärte Hauk. Er werde Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) schreiben und um schnelle finanzielle Unterstützung für Waldbesitzer bitten.
Der BUND bekräftigte angesichts der Zuspitzung seine Forderungen nach stärkeren Klimaschutzmaßnahmen, darunter eine "umwelt- und sozialverträgliche CO2-Abgabe" sowie den "überfälligen Einstieg in den Ausstieg aus der Kohle". Außerdem müssten die großen vorherrschenden Nadelholzmonokulturen endlich in naturnahe Laubmischwälder umgestaltet und schonender genutzt werden.
So könnten sie mehr Feuchtigkeit halten und würden insgesamt widerstandsfähiger, erklärte die Umweltorganisation. Der Umbau müsse in den Waldgesetzen verbindlich vorgeschrieben werden. Zudem müssten "erhebliche Finanzmittel" bereitgestellt werden. Nur so könne etwa das nötige Forstfachpersonal angestellt werden.
Auch der Forstexperte der FDP-Fraktion im Bundestag, Karlheinz Busen, forderte ein "Aufforstungsprogramm". Dabei seien entweder "klimastabile Baumarten" aus anderen Ländern nötig, oder heimische Arten müssten genetisch modifiziert werden, damit sie Klimaveränderungen aushielten, erklärte er am Mittwoch in Berlin.
Sachsens Umweltminister Schmidt forderte "enorme Anstrengungen" zur Rettung der Wälder. Dies gelte "auch finanziell". Darüber wolle er mit den CDU-Fachministern sprechen und eine Erklärung an Bundesagrarministerin Klöckner übergeben. Deren Ministerium solle einen "Masterplan" gegen die Krise erarbeiten.
(O.Tatarinov--DTZ)