Italienischer Bestsellerautor Andrea Camilleri mit 93 Jahren gestorben
"Ich habe keine Angst vorm Sterben, mir tut es nur leid, dass ich meine Liebsten zurücklassen muss", schrieb Andrea Camilleri einmal. Verhindern konnte er es nicht: Am Mittwoch ist der italienische Bestsellerautor in einem Krankenhaus gestorben, wo er seit einem Herzstillstand vor einem Monat behandelt wurde. Der Schöpfer des sizilianischen Kommissars Salvo Montalbano wurde 93 Jahre alt.
Camilleri fand erst spät zu schriftstellerischen Ruhm. Der Sizilianer war bereits 69 Jahre alt, als er mit Montalbanos erstem Abenteuer "La forma dell’acqua" (Die Form des Wassers) erste Erfolge feierte. Der kauzige Kommissar, den Camilleri als Hommage nach dem katalanischen Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán benannte, brachte ihm auch international den Durchbruch.
"Ich liebe und hasse ihn gleichzeitig. Ich verdanke ihm fast alles, er machte mir auch den Weg frei für meine anderen Romane", sagte Camilleri einmal über seinen durchaus komplexen sizilianischen Ermittler. "Aber er ist aufdringlich, anmaßend, unsympathisch - und wenn ich über einen Knochen stolpere, sehe ich ihn schon wieder vor mir und sagen: ’Also, ich würde ja so vorgehen...’".
Andrea Camilleri wurde am 6. September 1925 in Porto Empedocle geboren, einer Kleinstadt an der südsizilianischen Küste, die Pate für den fiktiven Ort Vigàta in seinen Krimis stand. Noch während seiner Schulzeit gründete er in seinem Heimatort die Kommunistische Partei. Später studierte er Regie in Rom, arbeitete aber schon da als Theaterregisseur, TV-Produzent und Drehbuchautor.
Camilleri brachte erstmals in Italien Samuel Beckett auf die Bühne, arbeitete aber auch viel mit Stücken von Luigi Pirandello, einem seiner Lieblingsautoren neben Leonardo Sciascia - natürlich Sizilianer. Für eine Fernsehserie adaptierte er erfolgreich die Krimis des Belgiers Georges Simenon. Von Simenon und seinem "Kommissar Maigret" habe er gelernt, "wie man Spannung erzeugt und zu welchem Zeitpunkt geschickt Hinweise streut", verriet Camilleri einmal.
So erfolgreich Camilleri mit seiner Arbeit für Theater und Fernsehen war, so wenig Erfolg hatte er zunächst als Schriftsteller. Als es ihm 1978 endlich gelang, einen Verlag für einen schon vor längerer Zeit geschriebenen Roman zu finden, erwies sich dieser als Flop.
Nach einer langen Pause veröffentlichte Camilleri 1992 wieder einen Roman, "La stagione della caccia"(Jagdsaison) - er spielt im 19. Jahrhundert in Vigàta, und seine Dialoge sind mit sizilianischem Dialekt gespickt. Der Grundstein für seine Krimis ist da schon gelegt: Die Mischung aus Italienisch und Sizilianisch wurde Camilleris Markenzeichen - und eine stetige Herausforderung für seine Übersetzer.
Seit seinen ersten Erfolgen entwickelte sich Camilleri zu einem überaus produktiven Schriftsteller, der mehrfach für den Literaturnobelpreis gehandelt wurde. Neben seinen Krimis schrieb er historische Romane - ebenfalls vor sizilianischem Hintergrund. 2016 veröffentlichte er sein 100. Buch. Da war er bereits erblindet und musste es seiner Assistentin diktieren. 2019 erschien Camilleris letztes Werk mit seinem inzwischen ebenfalls in die Jahre gekommenen Protagonisten Montalbano. "Il cuoco dell’Alcyon" wurde sofort zum Bestseller.
Seine Krimis blieben Camilleris größte Erfolge als Schriftsteller: Allein in Italien wurden sie 20 Millionen Mal verkauft, außerdem wurden sie in rund 30 Sprachen übersetzt. Von den USA bis zum Iran vereinen Montalbanos Abenteuer darüberhinaus hunderte Millionen Fernsehzuschauer.
Nach Krankenhausangaben soll Camilleri im kleinsten Kreis bestattet werden. Doch derweil trauert ganz Italien. Unter "Ciao Maestro" (Auf Wiedersehen, Meister) explodierten am Mittwoch die Online-Netzwerke förmlich mit Trauerbekundungen, und Politiker aller Parteien - von Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung über Matteo Salvini von der fremdenfeindlichen Lega bis Nicola Zingaretti von den Sozialdemokraten - würdigten Camilleri.
"Eine einzigartige und wunderbare Stimme ist verstummt", schrieb Zingaretti, der Bruder von Montalbano-Darsteller Luca Zingaretti. "Wir haben mehr als nur einen großen Schriftsteller verloren. Doch es bleibt uns die Schönheit seiner Sprache".
(O.Tatarinov--DTZ)