Bekanntester französischer Koma-Patient Vincent Lambert ist tot
Nach einem mehr als sechsjährigen Rechtsstreit um sein Leben ist der bekannteste französische Koma-Patient Vincent Lambert tot: Der 42-Jährige starb am Donnerstagmorgen in der Uniklinik in Reims, wie seine Familie der Nachrichtenagentur AFP mitteilte. Die Ärzte hatten die künstliche Ernährung vor gut einer Woche gegen den erbitterten Widerstand der Eltern eingestellt. Lambert gilt als Symbolfigur in der Debatte um das Recht auf Leben oder auf Sterben, die durch seinen Tod neu angefacht wird.
"Vincent ist um 8.24 Uhr heute Morgen gestorben", teilt François Lambert mit, der Neffe des früheren Krankenpflegers. "Wir waren darauf vorbereitet, ihn gehen zu lassen." Er äußerte sich stellvertretend für mehrere Familienmitglieder "erleichtert". Vincent Lambert lag seit einem schweren Autounfall vor elf Jahren in einer Art Wachkoma. Er war querschnittsgelähmt und konnte nicht mehr sprechen. Ein medizinisches Gutachten nannte seinen Zustand "unumkehrbar".
Die Ärzte der Klinik in Ostfrankreich hatten weitere lebenserhaltende Maßnahmen deshalb als "unverhältnismäßig" bewertet und die Sonden zur Ernährung am Dienstag vergangener Woche abgeschaltet. Dies geschah mit Billigung von Lamberts Frau Rachel und einigen seiner acht Geschwister. Nach Angaben seiner Frau hatte sich Lambert stets gegen eine künstliche Verlängerung seines Lebens ausgesprochen. Eine schriftliche Verfügung dazu hatte er allerdings nicht hinterlassen.
Die Eltern Lamberts gaben der Regierung eine Mitverantwortung und sprachen in einer Erklärung von einem "Staatsverbrechen". Präsident Emmanuel Macron hatte kürzlich ihren Wunsch abgelehnt, gegen die Entscheidung der Ärzte und der Gerichte vorzugehen. Die Eltern waren für das Leben ihres Sohnes zuvor jahrelang durch alle juristischen Instanzen gegangen, bis hin zum Europäischen Menschenrechtsgericht in Straßburg - doch die Richter gaben den Ärzten Recht.
Lamberts 73 Jahre alte Mutter Viviane und ihr 90-jähriger Mann Pierre warfen dem behandelnden Oberarzt Vincent Sanchez von der Uniklinik in Reims zudem vor, "gegen seinen Hippokratischen Eid verstoßen" zu haben. Das Paar hatte gegen die Mediziner bereits eine Klage wegen "Mordes" angestrengt. Die Staatsanwaltschaft ordnete nach Angaben des Senders "France Info" eine Autopsie der Leiche Lamberts an. Zudem soll seine Frau Rachel angehört werden.
Die katholische Bischofskonferenz Frankreichs kritisierte die behandelnden Ärzte und die Justiz scharf: Lambert habe "nicht am Ende seines Lebens gestanden", sagte ihr Sprecher Thierry Magnin der Zeitung "La Croix". In den Fall hatte sich zuletzt auch Papst Franziskus eingeschaltet. Er rief im Mai auf Twitter dazu auf, das Leben aller Menschen "vom Beginn bis zu seinem natürlichen Ende" zu schützen.
Die Diskussion über das Schicksal von Koma-Patienten geht auch nach Lamberts Tod weiter: Der Europaabgeordnete Nicolas Bay von der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National erklärte: "Mit einer Gesellschaft, die einen Menschen wegen seiner Behinderung sterben lässt, geht es gefährlich abwärts." Der bekannte Schriftsteller Michel Houellebecq nannte Vincent Lambert das Opfer einer "exzessiven Medienberichterstattung", die das Recht auf Privatsphäre nicht achte.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz nahm den Fall zum Anlass, noch einmal auf den Sinn einer schriftlichen Verfügung hinzuweisen: "Rund 10.000 Menschen liegen in Deutschland im Wachkoma", erklärte der Vorsitzende Eugen Brysch. Um jahrelange Streitigkeiten wie im Fall Lambert zu vermeiden, sei der "einzig sichere Weg die Patientenverfügung".
(P.Vasilyevsky--DTZ)