Ermittler gehen im Fall Lübcke von Tötungsdelikt aus
Die Ermittler gehen nach dem Tod des Präsidenten des Regierungspräsidiums Kassel, Walter Lübcke (CDU), von einem Tötungsdelikt aus. "Es gibt noch keine Hinweise auf Täter oder Motiv“, sagte die Präsidentin des Hessischen Landeskriminalamts (LKA), Sabine Thurau, allerdings am späten Montagnachmittag in Kassel. „Wir ermitteln in alle Richtungen.“ Anzeichen für einen Suizid gibt es demnach aber nicht.
Knapp zwei Wochen nach seinem zehnten Amtsjubiläum als Regierungspräsident war Lübcke am Montagmorgen um 0.30 Uhr auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen Wolfhagen-Istha tot aufgefunden worden. Reanimationsversuche blieben ohne Erfolg. Nach den Ergebnissen der Obduktion wurde er „aus nächster Nähe“ mit einer „Kurzwaffe“ erschossen, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Kassel, Oberstaatsanwalt Horst Streiff. Zum Zeitpunkt der Tat seien auch Angehörige in dem Haus gewesen.
Inzwischen hat das LKA die Leitung der Ermittlungen übernommen. In Kassel werde eine mindestens 20-köpfige Sonderkommission eingerichtet, kündigte Thurau an. Einzelheiten, etwa zur Tatwaffe, gaben Thurau und Streiff aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst nicht bekannt.
Die drei Regierungspräsidien in Hessen sind Mittelbehörden der hessischen Landesverwaltung. Als Regierungspräsident war Lübcke 2015 auch für die Einrichtung von Erstaufnahmelagern für Flüchtlinge zuständig. Auf Anfeindungen bei einer Bürgerversammlung sagte er einmal, es lohne sich, in Deutschland zu leben und für die hiesigen Werte einzutreten. „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen (...). Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“
In der Folge hatte der CDU-Politiker mehrere anonyme Morddrohungen erhalten. Ein Zusammenhang zu der Tat am Montag sei bislang aber nicht ersichtlich, sagte Thurau.
Lübcke ist ausgebildeter Bankkaufmann. Er war 1982 Pressesprecher der Kasseler Weltkunstausstellung documenta und promovierte schließlich in Kassel im Fach Wirtschaftswissenschaften zum „Sozialismus zwischen Utopie und Pragmatismus“ in der frühen Sowjetunion. In die CDU trat er 1986 ein und war von 1999 bis 2009 Landtagsabgeordneter in Wiesbaden, ehe er 2009 auf den Chefstuhl des Regierungspräsidiums Kassel wechselte.
CDU, Landesregierung und Regierungspräsidium reagierten bestürzt auf den Tod Lübckes. Er habe „völlig zu Recht ein außerordentliches Ansehen über Parteigrenzen hinweg“, erklärten in Kassel und Wiesbaden auch die Grünen, die in Hessen gemeinsam mit der CDU regieren.
(W.Uljanov--DTZ)