Forscher testen an vorbeirasendem Doppelasteroid Vorgehen bei planetarer Abwehr
Mit einer internationalen Beobachtungskampagne haben Astronomen den Vorbeiflug eines Doppelasteroiden an der Erde genutzt, um die Vorgehensweise bei der planetaren Abwehr eines gefährlichen erdnahen Objekts zu üben. Bei der Erdpassage des für unseren Planeten ungefährlichen Himmelskörpers mit der Bezeichnung 1999 KW4 am letzten Maiwochenende gelangen der Europäischen Südsternwarte ESO die schärfsten Aufnahmen des Doppelasteroiden, wie die ESO am Montag mitteilte.
Der etwa 1,3 Kilometer große Asteroid 1999 KW4 war am 25. Mai mit einer Geschwindigkeit von 70.000 Stundenkilometern in 5,2 Millionen Kilometern Entfernung an der Erde vorbeigerast. Ein Risiko stellte er nicht dar - er ähnelt aber auffallend einem anderen Doppelasteroiden mit dem Namen Didymos, der laut ESO irgendwann in ferner Zukunft unseren Heimatplaneten bedrohen könnte.
Die internationale Beobachtungskampagne von 1999 KW4 hatte das Internationale Asteroidenwarnnetzwerk IAWN ("International Asteroid Warning Network") organisiert. Die ESO schloss sich der Kampagne mit ihrem Flaggschiff an: dem Very Large Telescope (VLT) in der chilenischen Atacama-Wüste.
Das VLT ist unter anderem mit dem Instrument Sphere ausgestattet. Mit Sphere können die Forscher so scharfe Bilder gewinnen, dass sie darauf die beiden Komponenten des Asteroiden trennen können, die sich in einem Abstand von nur etwa 2,6 Kilometern umkreisen.
Ursprünglich wurde Sphere zur Beobachtung von Planeten bei fernen Sternen entwickelt, wie die ESO in Garching weiter mitteilte. Das Instrument arbeitet mit dem System der adaptiven Optik, das die Turbulenzen in der Erdatmosphäre korrigiert und auf diese Weise besonders scharfe Bilder liefert.
Die nun mit Sphere gewonnenen Daten des Doppelasteroiden halfen den Astronomen dabei, 1999 KW4 zu charakterisieren - insbesondere ist es der ESO zufolge jetzt möglich zu messen, ob der kleinere Begleiter dieselbe Zusammensetzung hat wie das größere Objekt.
"Diese Daten, kombiniert mit all denjenigen, die durch die IAWN-Kampagne an anderen Teleskopen gewonnen werden, sind unerlässlich für die Bewertung effektiver Ablenkungsstrategien, falls sich ein Asteroid auf Kollisionskurs mit der Erde befindet", erklärte der ESO-Astronom Olivier Hainaut.
"Im schlimmsten Fall ist dieses Wissen auch unerlässlich um vorherzusagen, wie ein Asteroid mit der Atmosphäre und der Erdoberfläche interagieren könnte, so dass wir im Falle eines Einschlags den Schaden mildern können", fügte Hainaut hinzu.
Während vom Doppelasteroiden 1999 KW4 keine Gefahr für die Erde ausging, könnte dies dereinst bei Didymos und seinem Begleiter Didymoon ganz anders sein. Dieser doppelte Asteroid ist das Ziel eines zukunftsweisenden planetaren Verteidigungsexperiments zur Ablenkung von Asteroiden: Die Nasa-Raumsonde Dart soll in wenigen Jahren auf Didymoon auftreffen, um dessen Umlaufbahn um den Mutterkörper Didymos zu verändern.
Nach dem Aufprall soll die Mission Hera der Europäischen Raumfahrtagentur ESA die Didymos-Asteroiden im Jahr 2026 untersuchen, um wichtige Informationen zu sammeln - darunter die Masse von Didymoon, seine Oberflächeneigenschaften und die Form des von Dart geschlagenen Kraters.
(O.Tatarinov--DTZ)