Steueranreize und Architekten-Wettbewerb für Wiederaufbau von Notre-Dame
Steueranreize für Spenden und ein internationaler Architekten-Wettbewerb: Damit will die französische Regierung einen Wiederaufbau der Kathedrale Notre-Dame innerhalb von fünf Jahren ermöglichen, wie Premierminister Edouard Philippe am Mittwoch nach einer Kabinettssitzung ankündigte. Die Arbeiten sollen zu den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris beendet sein. Experten halten dieses Ziel für ehrgeizig.
Präsident Emmanuel Macron hatte am Dienstagabend bei einem Fernsehauftritt versprochen: "Wir werden die Kathedrale noch schöner als zuvor wieder aufbauen, und ich will, dass das in fünf Jahren geschafft ist."
Premier Philippe verteidigte das Vorhaben. "Der Wiederaufbau ist kollektive Pflicht", betonte er. Experten gehen dagegen von einem Zeitraum von zehn bis 20 Jahren aus - so etwa der Regierungsbeauftragte für Kulturgüter, Stéphane Bern.
Der Premierminister kündigte einen internationalen Architekten-Wettbewerb für die Instandsetzung der gut 850 Jahre alten Kathedrale an. Dabei soll es um die Neugestaltung des Spitzturms gehen. Der mehr als 90 Meter hohe Turm war bei dem Brand am Montagabend eingestürzt.
Die Frage sei, ob er nach dem historischen Vorbild wiederaufgebaut werde oder "den Techniken und Herausforderungen unserer Epoche angemessen", sagte der Premierminister. Im Gespräch ist zudem, den abgebrannten hölzernen Dachstuhl von Notre-Dame durch eine feuerbeständige Stahlkonstruktion zu ersetzen wie bei der Kathedrale in Reims.
Die Regierung will den Wiederaufbau zudem mit steuerlichen Anreizen fördern: Privatleute sollen Spenden bis zu 1000 Euro künftig zu 75 Prozent absetzen können - darüber hinaus liegt der Satz weiter bei den bisher gültigen 66 Prozent. Unternehmen können ihre Spenden nach wie vor zu 60 Prozent geltend machen.
Bisher sind Spenden von rund 845 Millionen Euro zugesagt, bald könnte die Marke von einer Milliarde Euro überschritten werden. Zum Vergleich: Der Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden kostete 183 Millionen Euro, der Neubau der Elbphilharmonie in Hamburg rund 800 Millionen Euro. Eine Vorstellung über die Gesamtkosten hat die Regierung nach Angaben Philippes noch nicht.
Ein staatliches Spenden-Komitee unter Leitung des Rechnungshofs-Präsidenten soll nach Worten des Regierungschefs zudem sicherstellen, dass es keinen Missbrauch gibt: "Jeder Euro wird dem Wiederaufbau dienen, nicht anderen Dingen", sagte Philippe.
Um die Spenden ist in Frankreich eine erregte Debatte entbrannt: Der Chef der mächtigen Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, kritisierte die Großspenden durch die Milliardärsfamilien Arnault und Pinault, die 200 beziehungsweise 100 Millionen Euro zugesagt hatten. Dies verdeutliche die "Ungleichheit in diesem Land", sagte Martinez.
Kritik wurde auch von Vertretern der "Gelbwesten" laut, die seit fünf Monaten für mehr soziale Gerechtigkeit demonstrieren. "Das gute Gewissen kaschiert nicht das Elend und die Sparpolitik" unter Präsident Macron, schrieb der Aktivist Benjamin Cauchy auf Twitter. Der Arbeitgeberverband Medef nannte es dagegen "lächerlich, alte Steine gegen Menschen aufzurechnen, da diese Steine immerhin die Menschen ernähren".
In ganz Frankreich sollten am Mittwoch um 18.50 Uhr die Glocken der Kathedralen läuten - 48 Stunden, nachdem das Feuer im Dachstuhl entdeckt worden war.
(O.Tatarinov--DTZ)