Suchtforscher fordern mehr Kontrolle von Online-Casinos und Glücksspielautomaten
Suchtexperten haben strengere Kontrollen und mehr Regulierung von Onlinespielcasinos und Glücksspielautomaten gefordert. Sie seien wie alle Glücksspiele so konstruiert, dass ein Großteil der Umsätze mit süchtigen oder zumindest problematischen Spielern gemacht werde, erklärten sie am Mittwoch anlässlich Veröffentlichung des aktuellen Jahrbuchs Sucht der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in Berlin.
Die Gefährdung durch Onlinecasinospiele sei nach Einschätzung aller Suchtexperten "besonders hoch", erklärte dabei die Vorsitzende des Fachverbands Glücksspielsucht, Ilona Füchtenschnieder. Sie seien rund um die Uhr verfügbar, unauffällig erreichbar und böten unkomplizierte Methoden der Geldeinzahlung. Eine strenge Regulierung sei daher nötig.
Im Jahr 2017 erwirtschafteten die Anbieter mit Onlinecasinos demnach einen Bruttospielertrag von 1,76 Milliarden Euro. Das ist die Höhe der Einsätze nach Abzug der Gewinne. Der Fachverband forderte daher unter anderem ein Komplettverbot der Werbung inklusive der für Dachmarken.
Die bereits existierenden Werbebeschränkungen würden derzeit "weder von den Glücksspielanbietern noch von großen Teilen der Medienbranche eingehalten", erklärte der Fachverband. Von einer Öffnung des Markts solle abgesehen werden. Zudem müsse die Glücksspielaufsicht personell und technisch gestärkt werden. Sie sei der Aufgabe "nicht gewachsen".
Der Bremer Suchtpsychologe Gerhard Meyer warf der Automatenindustrie anlässlich der Vorstellung des Jahrbuchs vor, geltende gesetzliche Regelungen zu unterlaufen. Automaten hätten sich inzwischen zu einem "Glücksspiel mit einem ausgeprägten Sucht- und Gefährdungspotenzial" entwickelt, erklärte er. Sie lockten heute mit potenziellen Gewinnen in der Form "erheblicher Vermögenswerte", was mit einer "unmittelbar stimulierenden Wirkung" verbunden sei und große Suchtgefahr berge.
Mit einem Bruttospielertrag von 7,1 Milliarden Euro im Jahr 2017 sind Automaten demnach inzwischen die größten Geldbringer auf dem legalen Glücksspielmarkt in Deutschland. Das entspricht einem Anteil von 58 Prozent am gesamten Bruttospielertrag des Markts. Seit November 2018 müssen alle Automaten den Vorgaben der reformierten Spieleverordnung folgen. Erste Erkenntnisse zeigten allerdings, dass die Gesetzgebung "nach wie vor in eklatanter Weise ausgehebelt wird", kritisierte Meyer.
Im Jahrbuch Sucht werden jedes Jahr aktuelle Trends und Statistiken zu Süchten und Drogenkonsum analysiert. Legale Drogen wie Alkohol und Tabak verursachen demnach weiterhin die größten Suchtprobleme. Daher forderte die Hauptstelle für Suchtfragen nach eigenen Angaben "zum wiederholten Male effektive Präventionsmaßnahmen wie Preiserhöhungen, Angebotsreduzierung und eine Beschränkung der Werbung für Alkohol".
Der Pro-Kopf-Verbrauch von alkoholischen Getränken sank 2017 demnach gegenüber dem Vorjahr leicht um 2,38 Prozent auf 131,1 Liter. Damit bleibe Deutschland jedoch ein "Hochkonsumland in Bezug auf Alkohol". Jährlich seien 74.000 Todesfälle auf den Konsum von Alkohol oder die kombinierte Einnahme von Alkohol und Tabak zurückzuführen. An den Folgen des Rauchens allein starben demnach 2013 rund 121.000 Menschen.
(W.Uljanov--DTZ)