Kampf um Sicherung von Notre-Dame geht nach Großbrand weiter
Nach dem Großbrand in der Pariser Kathedrale Notre-Dame kämpfen Experten und Behörden um die Sicherung des 850 Jahre alten Gebäudes. Die Struktur der gotischen Kirche war zwar weitgehend stabil, allerdings wurden mehrere Schwachstellen entdeckt, wie Innenstaatsekretär Laurent Nuñez am Dienstag sagte. Die Justiz geht davon aus, dass Renovierungsarbeiten am Dach zu dem Flammeninferno führten. Französische Unternehmen sicherten unterdessen Spenden in Höhe von 600 Millionen Euro für den Wiederaufbau zu.
Ob die Kathedrale gerettet werden konnte, habe sich am Montagabend "innerhalb einer viertel Stunde, einer halben Stunde" entschieden, sagte Nuñez. Der Brand war im Dachstuhl ausgebrochen und hatte sich rasend schnell über das gesamte Dach ausgebreitet. Rund 400 Feuerwehrleute kämpften die gesamte Nacht über gegen die Flammen, am Dienstag kurz vor zehn Uhr waren sie dann vollständig gelöscht.
Zwei Drittel des Dachs und ein Spitzturm wurden zerstört. Dennoch gab Nuñez teilweise Entwarnung für das historische Bauwerk: "Im Ganzen hält die Struktur stand." Die Mauern, die beiden monumentalen Türme und die drei Fensterrosen blieben weitgehend unbeschädigt. Mehrere kostbare Reliquien, darunter die Dornenkrone Jesu, und das Hauptkreuz der Kirche konnten gerettet werden.
Allerdings seien Schäden im Gewölbe und einem Giebel im nördlichen Querschiff entdeckt worden, sagte Nuñez. Der Giebel müsse deshalb abgesichert worden. Fünf Gebäude in der Nachbarschaft der Kathedrale seien evakuiert worden.
Die Staatsanwaltschaft schloss unterdessen Brandstiftung weitgehend aus. "Nichts deutet auf eine vorsätzliche Tat hin", sagte Staatsanwalt Rémy Heitz. Der Brand könnte demnach mit Arbeiten am Dach der Kathedrale im Zusammenhang stehen, wo Baugerüste installiert waren. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen fahrlässiger Brandstiftung ein und befragte noch in der Nacht Bauarbeiter.
Fünf Unternehmen seien an den Arbeiten beteiligt gewesen, sagte Heitz. Etwa 15 Mitarbeiter seien am Montag mit Arbeiten betraut gewesen. Rund 50 Ermittler waren demnach im Einsatz.
Das bei der Restaurierung von Notre-Dame federführende Unternehmen wies Anschuldigungen zurück, für den Ausbruch des Feuers verantwortlich zu sein. Alle Sicherheitsvorschriften seien eingehalten worden, sagte Julien Le Bras, Chef des Gerüstbauers Le Bras Frères.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sagte einen Wiederaufbau der Kathedrale zu, die Regierung in Paris beriet am Dienstagvormittag über das Vorgehen. Landesweit sollen am Mittwoch um 18.50 Uhr die Glocken der Kathedralen läuten, um des Feuerausbruchs zu gedenken.
Mehrere französische Firmengruppen und Unternehmensfamilien kündigten Großspenden an. Der Luxusmodekonzern Kering des Milliardärs François-Henri Pinault stellte eine Spende von 100 Millionen Euro in Aussicht, ebenso wie der Ölkonzern Total. Bernard Arnaults Konzern LVHM und die Haupteigner des Kosmetikkonzerns L’Oréal, die Familie Bettencourt, kündigten je 200 Millionen Euro an.
Aus zahlreichen Ländern trafen am Dienstag weitere Botschaften der Anteilnahme ein. Papst Franziskus äußerte die Hoffnung, die schwer zerstörte Kirche werde wieder zu einem "Juwel". Am Nachmittag wollte Franziskus mit Macron telefonieren. Queen Elizabeth II erklärte, sie sei "tiefbetrübt".
Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte, die "Tragödie" von Notre-Dame treffe auch die Russen ins Herz. Irans Außenminister würdigte Notre-Dame als "symbolträchtiges Denkmal des Gebets zu unserem gemeinsamen Gott". Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief die Menschen in Deutschland und ganz Europa auf, "sich am Wiederaufbau von Notre Dame zu beteiligen". Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bot Frankreich "jede gewünschte Unterstützung" an.
US-Präsident Donald Trump hatte zuvor mit dem Vorschlag für Kopfschütteln gesorgt, Löschflugzeuge einzusetzen. Der französische Zivilschutz stellte jedoch klar, die Wucht der Wassermassen könne das gesamte Kirchengebäude zum Einsturz bringen.
Notre-Dame gehört zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Frankreichs. Berühmt wurde die Kathedrale auch durch den Roman "Der Glöckner von Notre-Dame" von Victor Hugo. Am 24. August 1944 hatte das Glockenläuten von Notre-Dame die Befreiung von Paris von der deutschen Besatzung verkündet.
(Y.Leyard--DTZ)