25 Jahren nach Untergang der "Estonia" wird Katastrophe gerichtlich aufgearbeitet
25 Jahre nach dem Untergang der Ostseefähre "Estonia" hat in Frankreich ein Schadensersatz-Prozess gegen die deutsche Meyer-Werft und die französische Klassifikationsgesellschaft Bureau Veritas begonnen. Mehr als tausend Kläger, darunter Überlebende und Angehörige der 852 Opfer, fordern 40,8 Millionen Euro für psychische Schäden, wie einer ihrer Anwälte, Maxime Cordier, am Freitag mitteilte.
Der Untergang der "Estonia" gilt als die größte Schiffskatastrophe der Nachkriegszeit. Die Fähre war in der Nacht zum 28. September 1994 auf der Fahrt von Tallinn nach Stockholm bei stürmischer See binnen einer halben Stunde gesunken. Nur 137 der 989 Menschen an Bord überlebten.
Hauptverantwortlich waren laut einem Untersuchungsbericht aus dem Jahr 1997 Konstruktionsmängel an der Bugklappe. Weil die Schließvorrichtungen demnach zu schwach waren, riss die Klappe bei hohem Wellengang ab, dadurch konnte das Wasser über die Fahrzeug-Bugrampe rasch ins Innere dringen.
Die damalige schwedisch-estnische Reederei EstLine zahlte 130 Millionen Euro Entschädigung. Die Schuldfrage blieb aber nach Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen bis heute ungeklärt.
Schon damals hatten Überlebende und Angehörige der Opfer Zivilklagen gegen die Meyer-Werft als Konstrukteur und das Bureau Veritas, das die Fähre als seetüchtig eingestuft hatte, angestrengt. Nach Angaben von Anwalt Cordier dauerte der Gang durch die Instanzen bis zu dem Prozess über 20 Jahre. Endlich werde ein Gericht nun feststellen, "wer für die Nachlässigkeit bei Konzeption und Betrieb des Schiffes verantwortlich" sei, sagte er.
Für das Verfahren im Pariser Vorort Nanterre, wo das Bureau Veritas seinen Sitz hat, wurden zwei Tage angesetzt. Eine Entscheidung wird für Juli erwartet. Nach ihren Erfahrungen mit dem jahrelangen juristischen Hin-und-Her haben die insgesamt 1116 Kläger aber nur noch wenig Hoffnung.
Sie sei erstaunt gewesen, als sie von dem Verfahren in Nanterre erfahren habe, sagte die 66-jährige Elisabet Nilsson, die ihren Ehemann bei dem Unglück verloren hatte. "Ich dachte, der Fall sei schon seit langem ad acta gelegt worden". "Da das Unglück aber niemals richtig untersucht wurde, habe ich auch keine großen Erwartungen an diese Anhörung".
Die "Estonia" liegt rund hundert Kilometer vor der finnischen Küste in 85 Meter Tiefe auf Grund. Die skandinavischen Behörden verweigerten sich einer Bergung der Fähre, die eine genauere Untersuchung ermöglicht hätte. Tauchgänge zur Fähre sind bis heute verboten.
(W.Budayev--DTZ)