Kein Schmerzensgeld wegen Lebensverlängerung durch künstliche Ernährung
Ein Arzt muss wegen der Lebensverlängerung eines Patienten durch künstliche Ernährung kein Schmerzensgeld zahlen. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Dienstag im Fall eines Manns, der jahrelang durch eine Magensonde künstlich ernährt worden war und keine Patientenverfügung verfasst hatte. Der BGH hob damit ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München auf, das dem klagenden Sohn ein Schmerzensgeld von 40.000 Euro zugesprochen hatte.
Der Vater des Klägers litt an Demenz und konnte in seinen letzten Lebensjahren weder kommunizieren noch sich bewegen. Der schwer kranke Mann wurde fünf Jahre lang künstlich ernährt. Nach Ansicht seines Sohns führte dies spätestens seit Anfang 2010 "nur noch zu einer sinnlosen Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens". Er verklagte deshalb den Hausarzt als Alleinerbe auf Schmerzensgeld und Schadenersatz.
Der Bundesgerichtshof entschied nun, dass dem Sohn kein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeld zustehe. Es hob deshalb das OLG-Urteil auf und stellte stattdessen das Urteil des Landgerichts wieder her, das die Klage in erster Instanz abgewiesen hatte.
Das OLG hatte einen Schmerzensgeldanspruch damit begründet, dass der Arzt seine Aufklärungspflicht verletzt habe. Er hätte demnach mit dem offiziellen Betreuer des schwer kranken Manns - einem Rechtsanwalt - erörtern müssen, ob die Ernährung über die Magensonde fortgesetzt oder beendet werden solle.
Der BGH folgte dem nicht. Es könne dahinstehen, ob der Arzt Pflichten verletzt habe. Hier stehe das durch künstliche Ernährung ermöglichte Weiterleben mit krankheitsbedingten Leiden dem Tod gegenüber.
Das menschliche Leben sei aber "absolut erhaltungswürdig - das Urteil über seinen Wert steht keinem Dritten zu". Deshalb verbiete es sich, "ein leidensbehaftetes Weiterleben als Schaden anzusehen".
Dem Kläger steht nach dem Urteil des BGH auch kein Schadenersatzanspruch für Behandlungs- und Pflegekosten zu. Schutzzweck etwaiger Aufklärungs- und Behandlungspflichten im Zusammenhang mit lebenserhaltenden Maßnahmen sei es nicht, wirtschaftliche Belastungen zu verhindern. Insbesondere dienten diese Pflichten nicht dazu, "den Erben das Vermögen des Patienten möglichst ungeschmälert zu erhalten".
(N.Loginovsky--DTZ)