Gastforscher am Cern erklärt Physik zur Männer-Domäne
Die renommierte Europäische Organisation für Kernforschung (Cern) bei Genf hat einen Gastforscher nach dessen umstrittenem Vortrag über die angebliche Untauglichkeit von Frauen für die Physik vorerst ausgeschlossen. Alessandro Strumia von der Universität Pisa hatte am Freitag unter anderem gesagt, die Physik sei "von Männern erfunden und aufgebaut" worden. Unqualifizerte Frauen würden heute aus politischen Gründen Posten in den Naturwissenschaften einfordern.
Strumia löste mit seinen Äußerungen Empörung aus. Das Cern setzte am Montag die Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftler aus, wie das Institut in einer Erklärung mitteilte. Zuvor hatte das Cern bereits entschieden, Strumias Vortragsmaterial von der Website des Instituts zu entfernen.
Strumia hatte bei einer Konferenz zur Rolle von Frauen in der Physik argumentiert, die Physik sei "nicht sexistisch gegenüber Frauen". Allerdings belegten Frauen vor allem Fächer im Bereich Gender Studies - und klagten dann über einen niedrigen Frauenanteil in den Naturwissenschaften. Doch man werde nicht "durch eine Einladung" zum Physiker, sagte Strumia.
Nach seiner Ansicht leiden vielmehr Männer unter "Diskriminierung" in der Physik. Strumia prangerte eine "politische Schlacht" an, deren Ausgang offen sei. Zur Untermauerung seiner Thesen zeigte er zahlreiche Diagramme, Tabellen und Grafiken. Die Präsentation war im Anschluss an den Vortrag online verfügbar gewesen.
Der Vortrag verärgerte mehrere Frauen, die an der Konferenz teilnahmen. Sie warfen Strumia in sozialen Online-Netzwerken Sexismus vor. Das Cern reagierte am Montag und setzte die Arbeit des Gastwissenschaftlers für die Dauer einer Untersuchung der Vorwürfe "mit sofortiger Wirkung" aus. Kurz zuvor hatte die Forschungseinrichtung die Aussagen Strumias als "äußert beleidigend" gegenüber Frauen verurteilt.
Der Frauenanteil unter den Cern-Mitarbeitern liegt nach Angaben der Institution bei weniger als 20 Prozent. Allerdings wird die Einrichtung seit 2016 von einer Frau, der Italienerin Fabiola Gianotti, geleitet.
Am Dienstag wurden drei herausragende Physiker mit dem Nobelpreis geehrt, darunter mit der Kanadierin Donna Strickland erstmals seit Jahrzehnten auch eine Frau. Davor erhielten erst zwei Frauen den Physik-Nobelpreis: Marie Curie im Jahr 1903 und Maria Goeppert-Mayer 1963.
(A.Nikiforov--DTZ)