Firschung: Verschärfte Einblicke in die Bausteine des Lebens
Ihre Forschungen haben neue Einblicke in die Bausteine des Lebens verschafft: Der Chemie-Nobelpreis geht in diesem Jahr an den gebürtigen Deutschen Joachim Frank, den Schweizer Jacques Dubochet und den Briten Richard Henderson. Wie die schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch mitteilte, werden sie für ihre Beiträge zur Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie ausgezeichnet, einer Methode zur besseren Darstellung von Biomolekülen.
Der aus Siegen stammende und vor mehr als 40 Jahren in die USA emigrierte Biochemiker Frank zeigte sich "ziemlich überwältigt" von der Ehrung. Der 77-jährige, der an der Columbia-Universität in New York tätig ist, wurde von dem Anruf aus Stockholm gegen 05.00 Uhr Ortszeit aus dem Schlaf gerissen, wie er der Nachrichtenagentur AFP erzählte. Er habe zwar eine leichte Vorahnung gehabt, dass ihm der Nobelpreis winken könnte, da die von ihm mitentwickelte Methode "sich zuletzt derart verbreitet hat" und so erfolgreich gewesen sei. Doch habe er sich letztlich nicht allzu große Chancen ausgerechnet, "da so viele andere Dinge in der Wissenschaft passieren", sagte Frank in einem aktuellen Interview.
Die von Frank, Dubochet und Henderson entwickelte Methode verschaffe neue Einblicke in die "Moleküle des Lebens", erklärte der Akademie-Vorsitzende Göran Hansson. Sie ermögliche den Forschern eine dreidimensionale Abbildung biologischer Moleküle. Damit hätten sie die Biochemie in eine "neue Ära" geführt.
Die Möglichkeit, bisher nicht-sichtbare Prozesse zu visualisieren, sei zum Verstehen der "Chemie des Lebens" ebenso wichtig wie für die Entwicklung von Arzneimitteln, erläuterte Hansson.
Die Kryo-Elektronenmikroskopie ermöglicht es den Forschern, Strukturen auf molekularer Ebene besser sichtbar zu machen. Mit Hilfe der Technik können die Moleküle in ihrem natürlichen Zustand eingefroren werden, ohne wie vorher ihre Beschaffenheit verändern zu müssen. So lassen sich kleinste Details von Zellstrukturen erforschen.
Frank entwickelte zwischen 1975 und 1986 eine Methode, mit der die unscharfen zweidimensionalen Bilder der herkömmlichen Elektronenmikroskope zu einer scharfen dreidimensionalen Struktur zusammenfügt wurden. In den frühen 80er Jahren gelang es dem heute 75-jährigen Schweizer Biophysiker Dubochet, mit Hilfe von rasch heruntergekühltem Wasser auch Moleküle unter dem Elektronenmikroskop zu untersuchen. 1990 konnte dann der heute 72-jährige britische Molekularbiologe Henderson erstmals die dreidimensionale Struktur eines Proteins in atomarer Auflösung darstellen.
Als er vor vier Jahrzehnten mit seinen Forschungen zur neuartigen Abbildung der Moleküle begonnen habe, hätten ihm Kollegen gesagt, dass dies "niemals irgendwohin führen" würde, berichtete Frank. Die ersten Erfolge habe er aber schon zu Beginn der 80er Jahre gehabt, so dass er von seiner Methode überzeugt gewesen sei.
Seinen Nobelpreis feiern wollte der Professor mit US-Staatsbürgerschaft am Mittwochabend (Ortszeit) mit seiner Familie und seinem neuen Hund in einem New Yorker Restaurant, wie er im AFP-Gespräch sagte. Am Donnerstag stehen dann zwei Feiern in seiner Fakultät an.
Die Verleihung der Nobelpreise findet am 10. Dezember in Stockholm statt. Die drei Forscher teilen sich das Preisgeld von neun Millionen schwedischen Kronen (etwa 940.000 Euro). Im vergangenen Jahr hatten drei Molekularforscher aus Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden den Preis erhalten. (W.Uljanov--DTZ)