Verbände beklagen fehlendes Personal für Versorgung von Demenzkranken
Angesichts der steigenden Zahl von Demenzkranken in Deutschland haben Experten vor einer Unterversorgung gewarnt. Trotz umfassender Pflegereformen fehle nach wie vor ausreichend qualifiziertes Pflegepersonal, erklärte die Deutsche Alzheimer Gesellschaft am Dienstag in Berlin anlässlich des bevorstehenden Weltalzheimertags. Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes verdoppelte sich die Zahl der Alzheimerpatienten in den Kliniken binnen 15 Jahren nahezu.
In Deutschland gelten der Alzheimer Gesellschaft zufolge heute etwa 1,6 Millionen Menschen als demenzkrank. Ungefähr zwei Drittel davon haben Alzheimer, die häufigste Form der Demenz. Die Erkrankung des Gehirns führt zum Verlust von geistigen Funktionen wie Denken, Sprache, Urteilsfähigkeit und Orientierung sowie zum Absterben oder einer starken Schädigung von Gehirnzellen vor allem in der Hirnrinde.
"Psychisch kranke Ältere und Menschen mit Demenz werden noch immer unzureichend versorgt, dabei bleiben in allen Stadien der Erkrankung Möglichkeiten und Chancen ungenutzt", erklärte Michael Rapp, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie.
Zudem fehle für demente Patienten in Pflegeheimen, die etwa die Hälfte der Demenzpatienten in Deutschland ausmachen, ausreichendes und speziell geschultes Pflegepersonal, "um freiheitsentziehende Maßnahmen oder den Einsatz von Psychopharmaka zu vermeiden", kritisierte der Sozialmediziner. Gerontopsychiater befassen sich mit älteren Menschen und ihren psychischen Erkrankungen.
Der diesjährige Weltalzheimertag am Donnerstag steht unter dem Motto "Demenz. Die Vielfalt im Blick". Dies soll darauf hinweisen, dass Demenz viele Gesichter hat. Meist erkranken Menschen erst im höheren Alter, manchmal beginnt die Demenz aber auch schon viel früher während des Berufslebens.
Die Gesellschaft müsse sich auch auf bestimmte Gruppen einstellen, wie Menschen mit Migrationshintergrund, forderte Monika Kaus, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Am Donnerstag schaltet die Organisation eine Internetseite, die sich speziell an Migranten richtet. Sie informiert in türkischer, russischer und polnischer Sprache über spezielle Angebote für Demenzkranke.
Demenz ist bislang nicht heilbar. Durch eine rechtzeitige Therapie mit Medikamenten und auch Verhaltenstherapien kann der Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit aber etwas hinausgezögert werden. Die wichtigste Leistung der Alzheimerforschung der vergangenen Jahre sei, dass die Erkrankung heute bereits im Stadium einer leichten kognitiven Störung diagnostiziert werden könne, "deutlich bevor die geistigen Fähigkeiten stark eingeschränkt sind und eine Demenz vorliegt", erklärte Oliver Peters vom Vorstand der Hirnliga.
Durch erhebliche Fortschritte in der Frühdiagnostik sei es möglich, neue Therapieansätze, die darauf abzielen, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen, viel früher beginnen zu lassen. Dies sei notwendig, weil "alle Versuche, die Erkrankung im Stadium der Demenz zu stoppen, gescheitert sind", erklärte der Experte.
2015 wurden laut Statistik 19.049 Alzheimerpatienten in Krankenhäusern behandelt. Das waren 85 Prozent mehr als 2001, als die Kliniken erst 10.306 Fälle verzeichneten. Die Zahl der von Alzheimer betroffenen Männer wuchs demnach erheblich schneller als die der Frauen. Zwischen 2001 und 2015 stieg die Zahl der männlichen Patienten um 126 Prozent, die der Frauen um 65 Prozent.
(W.Uljanov--DTZ)