Keine gütliche Einigung in Münchner Schadensersatzprozess um Staudammbruch
Im Zivilprozess gegen den TÜV Süd wegen eines Staudammbruchs in der brasilianischen Gemeinde Brumadinho will das Landgericht München I am 1. Februar kommenden Jahres eine Entscheidung verkünden. Die Vorsitzende Richterin Ingrid Henn gab dem TÜV und den Klägern bis dahin noch Gelegenheit, schriftlich Fragen zu beantworten. Versuche einer gütlichen Einigung scheiterten unter anderem daran, dass der TÜV Süd eine Verantwortung für den Dammbruch bestreitet.
Bei dem Staudammbruch in der brasilianischen Gemeinde Brumadinho waren Anfang 2019 mindestens 270 Menschen ums Leben gekommen. In dem Verfahren werfen die Gemeinde Brumadinho und Angehörige einer getöteten Ingenieurin dem TÜV vor, über eine Tochtergesellschaft den Damm überprüft und zertifiziert zu haben, obwohl er nicht ausreichend sicher gewesen sei.
Die Kläger, darunter der Witwer der Ingenieurin, deren Eltern, zwei Brüder und die Gemeinde, verlangen vom TÜV Süd zwischen rund zehntausend Euro und rund 70.000 Euro. Außerdem verlangen sie auch eine Feststellung der finanziellen Verantwortung des Konzerns für künftige Schäden.
Dem TÜV Süd droht aber im Fall einer Verurteilung eine deutlich höhere Zahlung. So sprach der deutsche Anwalt der zu dem Verfahren nach München gereisten brasilianischen Kläger, Jan Erik Spangenberg, von 1200 Angehörigen, die Ansprüche stellen könnten.
Der Bruch des Staudamms an einem Rückhaltebecken der Vale-Eisenerzmine hatte eine giftige Schlammlawine ins Rollen gebracht. Neben hohen Totenzahlen führte dies auch zu einer Naturkatastrophe in der Region.
Der Konzern Vale erklärte sich in diesem Jahr zur Zahlung von 5,8 Milliarden Euro zur Beseitigung der sozialen und ökologischen Folgen des Dammbruchs bereit. 1,4 Milliarden Euro davon waren direkt für Betroffene vorgesehen. Die Kläger werfen Vale aber vor, Zahlungen hinauszuzögern. Es stehe ein jahrelanger Rechtsstreit bevor.
TÜV-Chefjustiziar Florian Stork sagte, der Konzern spreche den Angehörigen sein Beileid aus. Gleichwohl sei der Konzern überzeugt, keine Verantwortung für den Tod der Betroffenen zu tragen. Ein Anwalt des Konzerns sagte, nach Auffassung des TÜV sei die Stabilitätserklärung für den Staudamm in Ordnung gewesen. Schon deshalb komme keine Haftung in Frage. Ursache für den Dammbruch seien wohl Sprengarbeiten gewesen, dies erscheine plausibel.
Außerdem wolle der Betreiber Vale die Betroffenen entschädigen - eine Einigung würde also zu einer doppelten Entschädigung führen. Auch die Gemeinde erhalte "gigantische Summen" als Ausgleich der entstandenen Schäden, erklärte der TÜV-Vertreter weiter.
Der Bruder der getöteten Ingenieurin, Gustavo Barroso, sagte in dem Verfahren, niemand könne ihm seine Schwester zurückbringen. "Ich bin sehr, sehr traurig und immer noch empört, dass der TÜV sich immer noch weigert, die volle Verantwortung zu übernehmen - dieser Staudamm, der war nicht sicher." Eigentlich wolle er nicht kämpfen, weil er so betrübt sei über den Tod der Schwester. "Aber ich will Gerechtigkeit - jeder Mensch muss seine Verantwortung übernehmen."
Der Bürgermeister von Brumadinho, Avimar Barcelos, sagte, "die Gemeinde Brumadinho leidet noch heute in wirtschaftlicher Art, in sozialer Art und ökologischer Art." Er forderte die Verantwortlichen des TÜV auf, nach Brasilien zu kommen, und sich die Lage vor Ort anzuschauen.
Rechtsanwalt Spangenberg als Vertreter der Kläger zeigte sich nach dem Verhandlungstag sehr zufrieden. Das Gericht habe zwar keine Tendenz für die für Anfang Februar angekündigte Entscheidung erkennen lassen. Es habe aber eine Reihe zu klärender Fragen formuliert, die vor allem an den TÜV gingen. Dies zeige, wo das Gericht die Verantwortung sehe, sagte Spangenberg der Nachrichtenagentur AFP.
(A.Nikiforov--DTZ)