Forscher stellen Empfehlungen für Einnahme von Antibiotika in Frage
Forscher haben die Empfehlung in Frage gestellt, eine Antibiotika-Packung immer komplett aufzubrauchen. Es gebe keinerlei Beweis dafür, dass eine kürzere Antibiotika-Behandlung die Gefahr resistenter Bakterien vergrößere, schreiben die Wissenschaftler am Donnerstag im Fachmagazin "British Medical Journal" (BMJ). Vielmehr sei das Gegenteil der Fall: "Antibiotika länger einzunehmen als notwendig erhöht das Risiko von Resistenzen."
Unter anderem die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, Antibiotika-Packungen immer aufzubrauchen - auch, wenn es dem Patienten bereits besser geht. Das Argument: Bei einem vorzeitigen Ende der Behandlungen könnten nicht alle Bakterien abgetötet und damit die Bildung resistenter Keime gefördert werden.
Der Infektionsexperte Martin Llewelyn von der Brighton and Sussex Medical School in Großbritannien und mehrere Kollegen halten jetzt im "British Medical Journal" dagegen. Demnach gibt es keinen Beweis dafür, dass eine kürzere Behandlung mit Antibiotika weniger effektiv ist oder gar die Bildung resistenter Bakterien fördert, die sich mit Antibiotika nicht mehr oder nur noch schwieriger bekämpfen lassen.
Bei einer Behandlung mit Antibiotika könnten vielmehr eigentlich harmlose Bakterien im menschlichen Körper oder auf der menschlichen Haut Resistenzen entwickeln - und später Infektionen auslösen. Je länger eine Antibiotika-Behandlung andauere, desto stärker sei dieser Effekt.
Llewelyn und seine Kollegen werben deswegen dafür, die Empfehlungen für die Einnahme von Antibiotika zu überarbeiten. Möglicherweise sei es das Beste, die Behandlung zu beenden, wenn es den Patienten besser gehe - unabhängig davon, wieviele Pillen sich noch in der Packung befinden.
Mehrere Wissenschaftler stellten sich hinter die im "British Medical Journal" veröffentlichten Schlussfolgerungen. "Möglicherweise sollten Antibiotika nur verwendet werden, um die Bakterienlast auf ein Level zu bringen, mit dem das menschliche Immunsystem umgehen kann", erklärte etwa der Vorsitzende der Britischen Gesellschaft für Immunologie, Peter Openshaw. In bestimmten Fällen, etwa bei einer Tuberkulose, sei dies aber anders.
(W.Budayev--DTZ)